Was Deine Grundbedürfnisse mit einer Pyramide zu tun haben?
Wir Menschen haben verschiedene Grundbedürfnisse. Diese Bedürfnisse beeinflussen unsere Gespräche miteinander und deren Verlauf.
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Kannst Du dich oder jemanden aus Deinem Bekanntenkreis wiedererkennen? Also ich werde zum Beispiel voll die Diva. Echt übel. Ich und Hunger? Oder zu warm? Oder zu laut? Oder zu eng? Ganz schlimm. Wenn meine Grundbedürfnisse bedroht sind benehme ich mich wie ein kleiner bockiger Vierjähriger.
Was die Fußgängerzone mit der Steinzeit zu tun hat?
Lieblingsszenario meiner Frau:
Mit mir, hungrig, im Sommer in einer vollen Fußgängerzone unterwegs und sie will gemütlich bummeln und mal in den ein oder anderen Laden reinschauen. Ein Traum. Ehrlich. Kannste dir nicht vorstellen.
Jetzt ist es so, dass ich mir das ja nicht aussuche. Ich gehe ja nicht mit dem Ziel los „Man, heute zicke ich mal so richtig ab und kleinkinderella mich mal so richtig schön bockend und motzend durch die Fußgängerzone meines Grauens.“ Nein, echt nicht, find ich selber nicht schön.
Und kann meine Frau dann mit vernünftigen und erwachsenen Argumenten helfen? Kann ich dann wie ein Erwachsener, der ich ja durchaus manchmal bin, die Situation behandeln und lösen? Nein, keine Chance. Da ist emotionales Vollchaos, alles doof, alles sch*** und die Leute sind sowieso alle blöd. Und überhaupt, warum muss ich eigentlich hier sein und kann nicht zu Hause im Pool Eis essen und chillen.
Das ist Stress. Ausgelöst durch eine Bedrohung der Grundbedürfnisse.
Was ist Stress?
Stress bedeutet so ganz grob geschildert, dass man sich bedroht fühlt. Das ist ein Mechanismus aus unserer Höhlenzeit, als es noch Säbelzahntiger gab und quasi jede Fehlentscheidung zum Tod führen konnte. Wir Menschen sind dabei sogenannte Reiz-Reaktionswesen. Also es kommt ein Reiz, in der Regel von außen und der löst einen automatischen Mechanismus in uns aus. Nimmt unser Hirn diesen Reiz als Bedrohung war, dann geht es in den Stressmodus. Und wenn wir nicht bereits als Kinder lernen, hier aktiv und gesund damit umzugehen passiert folgendes:
Fight or Flight – Kampf oder Flucht
…oder Tot stellen
Also entweder hau ich die Leute jetzt alle um und kämpfe mir blutrünstig einen Weg aus der Fußgängerzone oder ich renne schnell in den nächsten Park und klettere auf einen Baum in „Sicherheit“ oder ich stell mich tot. Zu geil, einfach mal tot stellen wenn der Chef am stressen ist. Umfallen, liegen bleiben und dann mal kucken was passiert 😊
Soweit klar?
Das ist noch die Steinzeitprogrammierung in uns. Da gibt es nicht immer die optimalen Updates, und so hat jeder Mensch irgendwo seine Bugs im System. Sprich in jedem von uns greift unter bestimmten Bedingungen, vor allen Dingen wenn die Grundbedürfnisse bedroht werden, noch das Steinzeitprogramm und will dann, dass wir kämpfen oder flüchten obwohl das ja eigentlich gar nicht angebracht ist.
Jetzt ist das nicht nur eine Kopfsache, sondern da geht es biochemisch voll ab in der Bude.
Bio… was?
ALARM!!! SÄBELZAHNTIGER!!! HORMONCOCKTAIL RAUSFEUERN!!! BLUT AUS DEM KOPF UND REIN IN DIE BEINE!!! UND LOS!!! VERPASS IHM EINEN KICK UND DANN RENN!!!!!!!!
Das geht dann in unserem Körper ab. Kopf aus, weil ich den ja beim Kampf gegen den Säbelzahntiger nicht brauche. Darm und Blase stilllegen, weil das irgendwie kein guter Zeitpunkt zum k*** ist. Stattdessen wird alles Blut in die Arme und Beine gepumpt und der Körper mit Doping Hormonen geflutet. Da hat das moderne Hirn dann nix mehr zu melden, denn jetzt regiert dann dieser kleine Steinzeitrest in unserem Gehirn, das sogenannte Reptiliengehirn.
Ich hab ein Reptil im Kopf? Ok, schau mal hier nach: https://www.daskreaktiv.de/2019/08/20/reptilienhirn-im-griff/
(Ich hatte mal einen Dozenten, der hat das die kleine Eidechse (Eidechsle) in uns genannt. Zu witzig.)
So, und jetzt?
Das Programm aus der Steinzeit bringt mir jetzt in der Fußgängerzone so genau gar nichts.
Aber die Ursache ist jetzt klar, oder? Wenn meine Grundbedürfnisse bedroht werden, komme ich in Stress und dann geht da erst mal nichts mehr.
Und was hat das jetzt mit einer Pyramide zu tun?
Also, mit der Pyramide ist das jetzt folgendermaßen:
Wir Menschen haben in der Regel alle die gleichen Grundbedürfnisse. Die Facetten sind da bestimmt unterschiedlich, aber im Großen und Ganzen kann man das einfach darstellen und das hat dann Herr Maslow in Form einer Pyramide gemacht.

Stufe 1
Elementare Bedürfnisse
Jetzt sehen wir, dass es da verschiedene Stufen in der Pyramide gibt. Unten haben wir die Grundbedürfnisse wie Essen und Schlafen. Die haben alle Menschen und das sind auch elementare Bedürfnisse. Wenn die nicht befriedigt werden, dann geht es relativ schnell zu Ende mit uns. Kein Futter und Wasser? Tick Tack, die Uhr läuft. Ist klar, oder?
Stufe 2
Sicherheit
Darüber kommt die Sicherheit. Also ein Dach über dem Kopf, ein regelmäßiges Einkommen und eine halbwegs sichere Lebensumgebung. Da legen in der Regel auch alle Menschen Wert darauf. Klar gibt es auch viele die mal eine Zeit lang aussteigen, im Van leben oder auf Weltreise gehen. Aber früher oder später setzt sich das Bedürfnis dann wieder durch, weil wir Menschen dann doch eher sesshafte Lebewesen sind. Das Nomadenzeitalter haben wir schon seit ein paar Jährchen hinter uns gelassen. Warme Höhle war halt doch besser als kahle Steppe und ständig am laufen.
Stufe 3
Soziale Kontakte
Dann kommen die sozialen Bedürfnisse. Da gehen dann gerne die Diskussionen los. „Ich kann gut auf andere Menschen verzichten! Ich komm auch super alleine klar!“ Mag ja sein, aber auch nur eine Zeit lang. Wir Menschen sind nun mal Rudeltiere. Das mag nicht jeder akzeptieren, vor allen Dingen, wenn man sich die Artgenossen betrachtet, die da so in der freien Wildbahn unterwegs sind, aber ist nun mal so.
Hat man auch wissenschaftlich bewiesen. Kleine Kinder, die keinen Kontakt und Zuwendung von anderen Menschen erhalten sterben. Menschen die isoliert von anderen Menschen leben drehen früher oder später durch. Schon mal den Film „Cast Away“ mit Tom Hanks gesehen? Der Tom ist nur nicht durchgedreht, weil er eine Bindung zu `nem Fußball mit Gesicht aufgebaut hat. Wir Menschen sind Bindungswesen, wir brauchen die Interaktion und Verbindung mit anderen und wenn es A-Löcher sind die wir hassen können. Egal, auch eine negative Bindung ist eine Bindung. Aber auf das Thema gehe ich ein andermal ein 😉
Stufe 4
Ich Bedürfnisse
Das gehört dann bereits tatsächlich eher zu den Luxusbedürfnissen. Ist nicht gut, wenn wir es nicht bekommen. Dann können wir Menschen ungesunde Züge und Verhaltensweisen entwickeln, aber überleben würden wir trotzdem. Hier geht es darum, Feedback zu bekommen. Bin ich ok? Mach ich meine Sache gut? Bin ich wer? Kann ich was? Und so weiter und so fort. Sicher cool wenn das Bedürfnis befriedigt wird. Dann geht es uns gut und wir entwickeln uns super. Aber im Notfall geht es auch ohne.
In Gesellschaften, die eher auf Unterdrückung ausgelegt sind, achtet man genau darauf, dass diese Ebene zu kurz kommt. Dann ist da nicht viel mit Selbstbewusstsein und Individualität und dann kann ich Menschen natürlich viel besser kontrollieren und nach meinem Sinn steuern. Es gibt durchaus Gemeinschaften aber auch Chefs und Vorgesetzte in unserer Gesellschaft, die an dieser Stelle Menschen bewusst manipulieren, um Ihre Interessen durchzusetzen und ihre Machtposition zu sichern. Aber auch das ist ein anderes Thema 😉
Stufe 5
Die Spitze der Pyramide
Hier kommt das Sahnehäubchen der Bedürfnisse. Die Selbstverwirklichung. Wer will ich sein, wie will ich leben, was will ich bewirken? Was soll mein Beitrag im Leben sein? Hier schöpfen wir Menschen unser volles Potenzial aus und fangen an zu leuchten 😊
Und wie funktioniert die Pyramide jetzt?
Das Prinzip ist ganz simpel. Die Bedürfnisse bauen von unten nach oben aufeinander auf. Wie so eine Pyramide eben gebaut wird. Zuerst unten die Steine, dann die nächste Schicht und dann die nächste… Klar soweit?
Also erst wenn unten die Steine, also die Grundbedürfnisse liegen, kann ich mich um die nächste Schicht, um das Bedürfnis nach Sicherheit kümmern. Ist eigentlich ganz einleuchtend. Wenn ich kein Futter und kein Wasser habe, dann ist mir der Rest erst einmal egal.
Experiment:
Morgen stehst Du auf und verzichtest einfach mal auf dein Frühstück. Du trinkst auch nichts und versuchst mal einfach bis zum Mittag oder länger ohne Essen und Trinken auszukommen. Irgendwann wird das Bedürfnis, etwas zu essen oder zu trinken so groß, dass dir alles andere egal wird. Und das wirst du ab einem gewissen Punkt auch sehr deutlich spüren und deiner Umwelt auch zeigen. Dann kommt nämlich das Eidechsle ins Spiel. Stress und Steinzeit. Raus mit der Keule und her mit dem Futter. Soziale Kontakte? Selbstverwirklichung? Anerkennung?
IST MIR ABER SO WAS VON SCH*** EGAL!!! GIB MIR WAS ZU FUTTERN!!! 😊
Was ich damit klar machen möchte? Wenn du eins der unteren Bedürfnisse in Gefahr bringst, dann werden die darüber egal. Es entsteht ein Defizit und erst wenn das befriedigt ist, kann man sich wieder um die Bedürfnisse darüber kümmern. Das könnte man auch global betrachten:
Gesellschaften die in Armut und Krieg leben und unter Hunger und Gewalt leiden, werden sich wohl kaum mit der Selbstverwirklichung, der Kultur, Wissenschaft und Hochtechnologie auseinander setzen. Die setzen erst einmal alles daran, ihre Grundbedürfnisse sicherzustellen. Und wenn dann einer mit drei Säcken Reis kommt, dann hau ich auch meinem Nachbarn eins auf die Rübe wenn es sein muss. Und wenn das Nachbardorf regelmäßig zum Plündern kommt? Na ganz klar, dann Keule raus und los geht’s bis wieder Ruhe herrscht. Und wenn es dann genügend essen gibt und nicht mehr jede Nacht die Räuberbanden einfallen, dann fange ich an mich um die sozialen Bedürfnisse zu kümmern.
Als nach dem zweiten Weltkrieg bei uns alles zerstört war und kein Stein mehr auf dem anderen lag, da waren unsere Großeltern, bzw. Urgroßeltern in einer ähnlichen Situation. Da liefen die in Kartoffelsäcken herum und haben das Klavier gegen ein Brot und drei Rüben eingetauscht. Von Bach wird man nicht satt, von Brot und Rüben schon. Und als dann alles wieder aufgebaut war, die Menschen keine Angst mehr hatten das nachts die Bomber kommen und die Wirtschaft langsam in Schwung kam, so dass man Geld verdienen konnte? Da wurde das Klavier wieder aufgestellt und Bach erklang wieder in der Stube während alle schick angezogen drumherum saßen. Da hat sich die Pyramide wieder aufgebaut.
Fazit
Das Verständnis um die Funktion der Grundbedürfnisse ist ein wichtiger Faktor für die gute Kommunikation. Wenn ich Hunger habe, werde ich nicht in der Lage sein, gut mit meinem Gegenüber zu sprechen. Aber auch wenn ich mich in meiner Sicherheit bedroht fühle, wird es schwierig, ein gutes Gespräch zu führen. Da kann es schon reichen, dass ich mit Veränderungen konfrontiert werde. Wir Menschen sind Energiesparer und Gewohnheitstiere. Denn Gewohnheit gibt Sicherheit. Da muss ich nicht mehr nachdenken und das spart Energie. Wenn ich also jetzt jemanden mit einer Veränderung konfrontiere, dann braucht das erst einmal Zeit. Sobald die Veränderung dann akzeptiert wurde, kann ich über das nächste Thema sprechen. Sollte jemand sich von mir nicht anerkannt und wertgeschätzt fühlen, dann muss ich das erst einmal mit ihm klären. Vorher wird da kein gutes Gespräch zustande kommen.
Also im Kern heißt das für uns:
Nur wenn es mit den Bedürfnissen von mir und meinem Gesprächspartner gut aussieht, stehen die Chancen für ein gutes Gespräch auf Erfolg. Denn dann fühlen wir uns beide wohl, sind bereit dem andere zuzuhören, uns friedlich mit dem Thema auseinanderzusetzen und gemeinsam nach einer Lösung zu suchen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es dann zu einer sogenannten WIN-WIN Situation kommt, also einem Ergebnis, bei dem beide Seiten das Gefühl haben, gewonnen zu haben, ist dann entsprechend groß.
Wenn ich das berücksichtige und aufmerksam beobachte, ob mein Gesprächspartner vielleicht gerade ein Bedürfnisdefizit hat und dann entsprechend reagiere, dann wird das mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit ein richtig gutes Gespräch.