Das Verständnis über die drei grundlegenden Persönlichkeitsanteile in uns eröffnet Dir neue Perspektiven im Umgang mit Dir selbst und mit anderen.
Ist dir das auch schon mal begegnet, dass du mit jemanden normalerweise ganz gut klarkommst und dann gibt es da einen Tag oder eine Situation:
- Da ist er oder sie sowas von emotional und du denkst dir „Oh man, das wird jetzt aber ganz schön der Kindergarten hier.“
- Oder er oder sie kommt mit Aussagen wie „Das war schon immer so!“ oder „Das muss man aber so machen!“ und du kommst mit keinem vernünftigen Argument durch?
- Dann gibt es da Tage, da führt man mega die tiefgründigen Gespräche und denkt sich „Wow, was für ein geistreicher Mensch.“
- Und das alles mit einer Person oder eventuell sogar mit dir? 😉
Dann sind dir die drei Persönlichkeiten bereits begegnet.
Zuerst müssen wir da mal kurz mit der Vorstellung aufräumen, dass wir genau eine Person sind und die ist und bleibt jeden Tag gleich.
Alles fließt, außer die Bilder in unserem Kopf
Alleine durch unsere Erfahrungen, die wir tagtäglich machen verändern wir uns ständig, bleiben in Bewegung und im Fluss und sind somit am Abend nicht mehr der oder dieselbe wie am Morgen. Unserem Kopf ist so eine Vorstellung zu kompliziert und deshalb macht er sich es leicht, indem er einfach mit einem abgespeicherten Bild arbeitet und das dann nur bei Bedarf korrigiert. (Unser Gehirn ist im Grunde leider sehr faul, also steinzeitbedingt ein Energiesparer)
Das ist aus biologischer Sicht auch sinnvoll, denn es wäre sehr anstrengend, wenn wir uns bei jeder Begegnung von neuem kennenlernen müssten. Stattdessen machen wir uns ein Bild von einer Person, speichern das auf der Festplatte und wenn wir der Person begegnen, dann betrachten und bewerten wir die Person nicht neu, sondern unser Kopf ruft einfach das Bild auf und fertig. Und nur wenn das gespeicherte Bild deutlich vom realen Gegenüber abweicht, macht sich unser Kopf die Mühe genauer hinzusehen, um sein Bild zu aktualisieren. (Das ist im Übrigen der Grund, warum Männern nicht auffällt, wenn die Frau beim Friseur war. Spitzenschneiden ist nicht deutlich genug 😉)
Ich begegne dem neuen Busfahrer. Mein Kopf checkt den ab. Ist ein Mann, mittelalt, Schnurbart, Ist nett, ok passt. Ich steige jeden Morgen ein, mein Kopf erkennt von weitem, das es der gewohnte Busfahrer ist. Super muss ich nicht weiter drüber nachdenken, Energie gespart. Erst wenn es ein anderer Fahrer ist, oder sich an dem Fahrer etwas massiv verändert, also auf einmal schaut der böse oder er hat plötzlich keinen Schnurbart mehr, erst dann wird mein Kopf wieder aktiv. Bis dahin läuft er im Autopiloten.
Was ich damit erklären möchte? Wir leben in der Vorstellung, dass Menschen statische Wesen sind, aber das ist ein Trugschluss, der von der energiesparenden Arbeitsweise unseres Gehirns kommt. Da laufen Bewertungen und Entscheidungen in Bruchteilen von Sekunden ab, ohne dass wir da bewusst mitentscheiden können und damit nimmt unser Gehirn uns einfach mühselige Arbeit ab. Das heißt aber nicht, dass das in jeder Situation richtig sein muss.
Und jetzt gab es da den Herr Berne, dem aufgefallen ist, dass Menschen irgendwie nicht immer dieselben sind, sondern offensichtlich aus verschiedenen Persönlichkeiten bestehen. Was er herausgefunden hat ist für mich eine der spannendsten Erkenntnisse in der Kommunikationswissenschaft. Und darum soll es in diesem Beitrag gehen.
Die drei Ich
Im Großen und Ganzen könnte man sagen, dass ein jeder und jede von uns aus drei „Personen“ besteht und je nach dem, welche da jetzt gerade aktiv ist, verläuft das Gespräch gut oder eher so mittelprächtig bis sch***.

Der „Erwachsene“ in uns
Ich sage gerne, dass Menschen einfach nur wachsen und irgendwann Auto fahren dürfen und einen Ausweis bekommen, aber erwachsen wird niemand. Das ist nur eine Vorstellung, die es uns erleichtert, bestimmte Grenzen zu ziehen. Eigentlich meinen wir viel eher, wir sind der Kindheit ent-wachsen und besitzen nun genügend Erfahrung um selber klar zu kommen. Wir sind aber immer noch die, die wir als Kinder waren.
Was wir als erwachsen bezeichnen ist also unser vernunftgeprägtes Wesen. Dieser Teil in uns analysiert, bleibt größtenteils objektiv und versucht Entscheidungen anhand von Erfahrungen zu treffen, die halbwegs ausgewogen und lösungsorientiert sind. Den Erwachsenen in uns erkennen wir daran, dass er Dinge sagt wie „Lass uns mal das Problem betrachten.“, „Was haben wir denn für Optionen?“, „Aufgrund meiner Erfahrung kann ich sagen, dass…..“ Wenn der Erwachsene in uns spricht und dann auch noch einen Erwachsenen gegenüber hat dann werden das in der Regel gute und zielorientierte Gespräche.
„Das Auto springt nicht an? Lass uns mal nachschauen. Oh, da leuchtet eine Kontrollleuchte. Da schauen wir mal im Handbuch nach, was das bedeutet. Ah, offensichtlich ist die Batterie leer. Ich suche mal das Fremdstartkabel.“ Nach einer halben Stunde läuft das Auto alles super.
Wenn jetzt alle Menschen „erwachsen“ wären, dann wären wir eine sehr ruhige und logische Spezies und viele Konflikte auf unserer Welt würden schlichtweg nicht existieren.
Jetzt gibt es da aber noch zwei andere Anteile in uns und die machen die Sache jetzt etwas umständlich.
Das Kind in uns
Das Kind in uns ist der emotionale Teil. Wenn das Kind die Zügel in der Hand hat, benehmen wir uns wieder wie Vierjährige. Das kann durchaus sehr bereichernd sein, wenn man einfach mal aus dem Bauch und nach dem Bedürfnis geht, die Welt wie ein Kind genießt und mal wieder lacht und herumblödelt wie zuletzt im Kindergarten. Da sind wir dann ganz nah bei uns, an dem was wir jetzt gerade brauchen und der Kopf hat mal Pause. In solchen Momenten haben auch „Erwachsene“ mal wieder Spaß auf dem Spielplatz oder im Schwimmbad. Das tut gut und macht das Leben erst lebenswert.
In der Kommunikation haben wir es aber allzu oft mit den Schattenseiten des Kindes zu tun. Das ist dann beleidigt, bockig und will jetzt nicht einsehen, dass man abends nach dem Zähneputzen keine Gummibärchen mehr essen darf. In der „Erwachsenwelt“ fühlt sich das Kind in uns dann nicht beachtet, nicht geliebt oder hat schichtweg einfach Hunger oder ist müde. Das erkennen wir dann daran, dass unser Gegenüber im Gespräch das Gesicht verzieht, schmollt, sich verweigert und unverhältnismäßig emotional wird. „Das ist mir jetzt egal!“, „Mach deinen Sch*** doch selber!“, „Ich will jetzt aber nicht!“ usw. Wenn Ihr das Gefühl habt, dass bei Eurem Gegenüber oder bei Euch selbst nicht mehr viel fehlt und dann liegt einer von beiden wie ein Kleinkind vor der Kasse auf dem Boden und strampelt wütend vor sich hin; Dann habt ihr es mit dem Kind in uns zu tun.
Den Teil haben wir halbwegs gut im Griff und deshalb nennen wir uns „erwachsen“. Aber deswegen ist der Teil ja nicht verschwunden.
„Dieses doofe Auto! Immer wenn ich es brauche, macht es Zicken. Ich hab jetzt keinen Bock auf den Sch***!. Du blöde Karre! Ich will jetzt zu McDonalds!“ Person steht bockig daneben, schnauft und stampft auf den Boden und macht einen Schmollmund.
Wie reagiert man da am besten? Na wie bei einem Kind. Über den Kopf streicheln, trösten und in den Arm nehmen. Geht auch verbal. „Stimmt, das Auto ist aber auch zickig. Kann ich verstehen, dass das nervt. Echt ärgerlich, doofes Auto. Komm, wir schauen mal, ob wir das zusammen wieder hinbekommen.“ Vernunft und Logik bringt da erst mal nix und Vorwürfe zwecks „kindischem Verhalten“ machen die Sache in der Regel nur schlimmer 😉
Die Eltern in uns
Das ist in meinen Augen der komplizierte Teil in uns. Der Erwachsene ist logisch und das Kind ist immer nah an den Bedürfnissen. Damit kann man arbeiten. Aber die Eltern in uns sind der Teil, der uns als Kinder geprägt hat. Also neben den Eltern auch das gesamte soziale Umfeld. Lehrer, Onkel, Tanten, Nachbarn und alle die sonst so dazu gehören. Wir konzentrieren uns jetzt aber mal auf die Eltern.
Wir Menschen kommen als sogenannte Mängelwesen auf die Welt. Also während viele Tierarten instinktiv Fähigkeiten zum Überleben beherrschen, kann der kleine Mensch erst einmal sehr lange genau gar nichts. Somit ist er abhängig von anderen Menschen, die ihn versorgen und ihm das wichtigste zum Überleben beibringen. Wir Menschen sind nun eine sehr komplexe Spezies mit einem sehr komplexen Sozialsystem und dementsprechend vielen Regeln. Viele davon formell, also geschrieben in Form von Gesetzen und sehr viele aber auch informell, also ungeschrieben und je nach sozialem Umfeld völlig unterschiedlich. In einem katholischen Dorf in Niederbayern herrschen einfach andere Regeln als in Berlin Neukölln. Und die stehen nicht im Grundgesetzt. Klar, oder?
Jetzt sitzen wir also da, als kleine Nochgarnichtskönner und haben keinen Plan wie die Welt funktioniert. Aber da gibt es ja zum Glück die Erwachsenen und die wissen einfach alles. Und das erklären die uns auch. Jeden Tag.
„Nein, das macht man nicht.“, „So ist das richtig!“, „Das gehört sich nicht.“, „Das machen wir schon immer so!“… Diese Liste lässt sich ewig fortsetzen und wird von Generation zu Genration gepflegt.
Jetzt haben wir als kleine Stöpsel ja keine Ahnung und können ja schlecht überprüfen, ob dass Sinn macht, was die uns das den lieben langen Tag erzählen. Also glauben wir das. Und so entstehen Glaubenssätze.
Diese Sätze übernehmen wir als informelle Regeln und hinterfragen die auch nie wieder. Macht man so, fertig. Das wäre ja auch wieder sehr anstrengend, wenn man alles vollständig von vorne lernen müsste. Da gibt es ja zum Glück die Erwachsenen und die bringen einem das wichtigste bei, dann muss man das nicht selber mühsam erforschen und kann sich auf „Wichtigeres“ konzentrieren. Da hat unser Gehirn aber wieder schön Energie gespart.
Aus all diesen Glaubenssätzen, Mustern und informellen Regeln bildet sich jetzt unser Eltern Ich. In der Regel hinterfragen wir das auch nicht mehr, denn das ist wie eine soziale Programmierung. Und welches Programm hinterfragt schon seine Programmierung 😉
In Gesprächen ist das Eltern Ich aber sehr anstrengend, denn da gibt es selten einen konstruktiven Dialog. Wie auch, wenn das Gegenüber so Sachen sagt wie: „Das macht man aber so!“ und „Das haben wir schon immer so gemacht!“
„Das Auto springt nicht an.“ „Na dann rufen wir den ADAC.“ „Aber da leuchtet die Batterieanzeige und im Handbuch steht, wir können das mit dem Fremdstartkabel im Kofferraum ganz einfach selbst beheben.“ „Nein, wir rufen den ADAC, dass macht man so!“ „Wir wären mit dem Kabel aber viel schneller.“ „Nein, Strom ist gefährlich, da kann man sterben. Der ADAC soll kommen.“ „Aber ich habe gelesen, wie das geht, dass ist nicht schwer und ungefährlich.“ „Nein, wir rufen den ADAC. So etwas dürfen nur Fachleute erledigen.“ Und so geht das dann ewig weiter.
Wir Menschen lassen einfach automatisch unser Programm ablaufen, weil uns das Sicherheit gibt. Für ein Gespräch ist das sehr schwierig und da hilft nur, den Anteil rechtzeitig zu erkennen und sich die Diskussion zu sparen. Diese Glaubenssätze und deren Gütigkeit können wir Menschen nur selbst auflösen bzw. korrigieren. Doch dazu müssen wir diese erst einmal entdecken und hinterfragen. Das wiederrum ist aber gar nicht so einfach, weil die ja automatisch ablaufen und wir das oftmals gar nicht wahrnehmen. Mit viel Achtsamkeit und Reflektion kommen wir diesen Programmierungen auf die Schliche und können prüfen, ob sie für uns wirklich noch hilfreich sind oder eher unsere Entwicklung stören. Denn was in unserem Elternhaus logisch und sinnvoll war kann heute stören und blockieren. Und wir merken es nicht und wundern uns, warum wir immer wieder gegen dieselbe Wand laufen, immer wieder dieselben Fehler machen und uns andauernd der gleiche Mist passiert.
Da hilft dann nur ein Update im Programm, aber das kann jeder nur für sich selber prüfen. Wenn uns der Teil in einem Gespräch begegnet und es schwierig macht, dann hilft nur das Prinzip „Nachgeben“ und vielleicht mal in einer ruhigen Minute anzusprechen, ob da eventuell eine festgefahrene Meinung besteht, der vielleicht eine Korrektur benötigt? Man kann die Situation aber auch von null auf hundert zum Explodieren bringen. Einfach so Dinge sagen wie „Jetzt hörst Du dich an wie Deine Mutter!“ Und Action! 😊
Global betrachtet…
Tatsächlich geht ein Großteil der menschlichen Konflikte wahrscheinlich genau auf diese Problematik zurück. Irgendwann hat einem als Kind jemand beigebracht, dass Israelis böse sind, oder Palästinenser, oder generell Ausländer, Ungläubige, Demokraten, Sozialisten, Kommunisten und wie sie alle heißen und Gewalt, Hass und Ausgrenzung sind normale Verhaltensweisen, um damit umzugehen… Und keiner drückt mal die Stopp Taste und fragt sich, ob da eine neue Programmierung vielleicht besser für alle Beteiligten und eine friedliche Welt wäre. Ja, eigentlich bräuchte ein Großteil der Menschheit mal eine vernünftige Verhaltenstherapie, da ist nämlich bei vielen Erziehenden so einiges schiefgelaufen. Aber wenn du denen das sagst, dann kommt: „Nein, das machen wir schon immer so. Das gehört sich so. So sind nun mal die Regeln. Basta!“
Fazit:
Was möchte ich mit diesem Beitrag vermitteln? Wissen! Wenn wir verstehen, wie bestimmt Dinge funktionieren, dann können wir neue Lösungen dafür finden. Im Umgang mit dem Erwachsenen, Kind und Eltern Ich in uns ist es sehr hilfreich, diese zu erkennen und dann individuell Lösungen zu finden. Allein das Erkennen schafft ein völlig neues Verständnis von Kommunikation und wird im Umgang mit uns selbst und anderen vieles erleichtern und für Klarheit sorgen. Und so kommen wir gemeinsam weiter, anstatt uns gegenseitig zu blockieren. Probier es aus! Geh in den nächsten Tagen auf Entdeckungsreise und versuche zu erkennen, wann welcher Anteil in dir gerade das Sagen hat und was das für Auswirkungen hat. Alleine das Beobachten und Erkennen wird die Situation innerhalb von Sekunden verbessern, ohne dass du eine bestimmte Technik benötigst. Das Ergebnis wird ein bewussteres Miteinander sein, dass von ganz alleine einen Gewinn für beide Seiten bringt 😉